Starkes Zeichen für ein buntes Hofgeismar | OWZ zum Sonntag

Veröffentlicht am 03.03.2024 20:23

Starkes Zeichen für ein buntes Hofgeismar

Rund 600 Teilnehmer waren dem Aufruf der Initiatoren gefolgt und setzten ein starkes Zeichen, das rechtes Gedankengut in Hofgeismar nicht willkommen ist. (Foto: Stefan Bönning)
Rund 600 Teilnehmer waren dem Aufruf der Initiatoren gefolgt und setzten ein starkes Zeichen, das rechtes Gedankengut in Hofgeismar nicht willkommen ist. (Foto: Stefan Bönning)
Rund 600 Teilnehmer waren dem Aufruf der Initiatoren gefolgt und setzten ein starkes Zeichen, das rechtes Gedankengut in Hofgeismar nicht willkommen ist. (Foto: Stefan Bönning)
Rund 600 Teilnehmer waren dem Aufruf der Initiatoren gefolgt und setzten ein starkes Zeichen, das rechtes Gedankengut in Hofgeismar nicht willkommen ist. (Foto: Stefan Bönning)
Rund 600 Teilnehmer waren dem Aufruf der Initiatoren gefolgt und setzten ein starkes Zeichen, das rechtes Gedankengut in Hofgeismar nicht willkommen ist. (Foto: Stefan Bönning)

Rund 600 Personen, so eine Schätzung der örtlichen Polizei, waren dem Aufruf des „Bündnis für Demokratie und Vielfalt in Hofgeismar“ am Samstag auf den Marktplatz der Dornröschenstadt gefolgt. Sie setzten damit ein starkes Zeichen und ein Bekenntnis zu Demokratie und bunter Vielfalt in der Stadt.

Zu dem Bündnis haben sich neben der evangelischen Kirche, den Stadtverordneten, der TSG Hofgeismar und dem Quartier am Markt als Gründungsmitglieder inzwischen weitere Hofgeismarer Institutionen und Einzelpersonen zusammengeschlossen, darunter die Baunataler Diakonie, die Evangelische Altenhilfe, Bundestagsabgeordnete Esther Dilcher, das Generationenhaus Bahnhof Hümme, die Käthe-Kollwitz-Schule, das Kulturforum Hofgeismar, Die Linke im Landkreis Kassel, die Moscheegemeinde Hofgeismar, die Musikschule Hofgeismar, Pflege am Markt, die Schülervertretung der Albert-Schweitzer-Schule, „SelbstbestimmtLeben-GemeinsamWohnen“, die Stadt Hofgeismar, das Stadtmuseum sowie das Jugendzentrum Hofgeismar.

Kein Platz für Intoleranz

Nach Eurovisionsmelodie und einleitenden Worten durch Pfarrer Markus Schnepel und Frank Nikutta, die dazu anregten, sich kurz mit einer bisher nicht bekannten Person auszutauschen, warum man heute hier dabei sei, eröffnete Bürgermeister Torben Busse den Reigen der Redner: „Ich bin stolz auf unsere Stadt, wenn ich hier heute auf den Marktplatz schaue“. Hofgeismar ist seit jeher eine vielfältige, offene Stadt, in der man sich für die Schwächsten einsetze. Als historisches Beispiel nannte er das Siechenhaus am Gesundbrunnen und für die Gegenwart „unsere Baunis“ – die Bewohner der Einrichtungen der Baunataler Diakonie. Von den rund 15.500 Einwohnern der Stadt haben heute 1834 Menschen keinen deutschen Pass, das sei etwa jeder Achte. „Demokratie ist unsere Grundfeste, die Vielfalt ist in unserer DNA. In Hofgeismar ist für Ausgrenzung und Intoleranz kein Platz“, betonte der Bürgermeister.

Unter dem Titel „Schüler*innen für Demokratie“ stellte Benita Bergau von der Schülervertretung der Albert-Schweitzer-Schule die Frage an die Versammelten, wer von den Anwesenden denn jünger als 25 Jahre sei, um dann zum Starkmachen für Demokratie, Toleranz und eine bunte Gesellschaft aufzurufen.

Stadtverordnetenvorsteherin Monika Grebing schilderte in einen historischen Abriss die Ereignisse, die letztlich zur Machtergreifung der Nazis führten. „Damals ging es schnell“, sagte Grebing, nicht ohne sorgenvollen Blick auf Ereignisse der Gegenwart und die durchaus sichtbaren Parallelen in der jüngeren Geschichte.

Julia Drinnenberg vom Stadtmuseum trug das Gedicht „Des Unschuldigen Schuld“ von Gerty Spiess vor, die sich als Holocaust-Überlebende nach 1945 mit ihrer schriftstellerischen Arbeit für ein Verzeihen, aber nicht Vergessen einsetzte. In diesem Sinne soll auch die Erinnerungsarbeit verstanden werden, die ihren Beitrag dazu leisten soll, dass sich die Geschehnisse von 1933-1945 nicht wiederholen.

Er mache sich große Sorgen um unsere Demokratie und die sich abzeichnende Verschiebung von Grundwerten, sagte Alt-Bürgermeister Heinrich Sattler. Sehr eindrücklich stellte er Ereignisse aus der NS-Zeit vor, die ihm seine Mutter geschildert hatte: Die Demütigung des damaligen Bürgermeisters Hermann Weidemann oder die Misshandlungen von missliebigen Bürgern durch die Nazis. Und er sprach die Tatsache an, dass nach 1945 von die Tätern vorgegaukelt wurde, als ob nichts passiert sei, als ob sie nie an Unrechtshandlungen beteiligt waren. Einige von ihnen, so Sattler, hätten es in der Nachkriegszeit in Hofgeismar zu einigem Vermögen gebracht, anstatt eine Bestrafung zu erhalten. „Ich möchte, dass man kein Held sein muss, um ein guter Mensch zu sein“, sagte Sattler mit Blick auf die Opfer, die die Menschen im Widerstand von 1933 bis 1945 erbringen mussten.

Zensur nur im Algorithmus

Wolfgang Heinicke, ehemaliger Dekan des Kirchenkreises Hofgeismar-Wolfhagen, rief die Menschen auf, sich trotz aller Unterschiede für Demokratie und Grundwerte einzusetzen, über alle Grenzen hinweg. Er nahm dabei Bezug auf das Grundgesetz, welches vor nahezu 75 Jahren, am 8. Mai 1949, beschlossen wurde. Er zitierte den Artikel 1 „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ - was uneingeschränkt für alle Menschen gelte. Er erinnerte an die Grundpfeiler Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und Pressefreiheit. Eine Zensur durch staatliche Organe finde trotz immer wieder kolportierter Verschwörungsphantasien nicht statt – sie sei lediglich ein Produkt von Algorithmen in einschlägigen Gesinnungsblasen. Heinicke beschloss unter anhaltendem Applaus mit dem Satz „Vielfalt ist gut und bringt unsere Gemeinschaft voran - Verfassungsschutz ist unser aller Aufgabe“.

Hofgeismar ist Vielfalt

Abschaffung von Inklusion ist ein Angriff auf die Menschenwürde, sagte David Schlesinger, Schulleiter der Käthe-Kollwitz-Schule. „Unsere Schule würde es schlichtweg nicht mehr geben, kämen die Blau-Braunen an die Macht“, ist sich Schlesinger sicher und untermauerte seine Einschätzung mit Höcke-Aussagen aus dessen Sommer-Interview. Die perfide Gedankenwelt dieser Bewegung sowie Hass und Gewalt gegen Politiker aus dem demokratischen Spektrum seien bereits Gegenwart, daher ist Schweigen keine Option.

Das Vorleben von demokratischen Werten im Verein beschrieb Stefan Knerrich: Allein in den elf Fussballmannschaften der TSG Hofgeismar spielten 196 Kinder aus 15 Nationen. Sie erleben und erlernen dabei ein faires Miteinander ebenso wie Regeln zu respektieren. Die Demokratie ist kein Selbstläufer, so Knerrich.

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