Der FDP-Stadtverband Nieheim hatte zur Veranstaltung mit dem Titel „Erfolgreiche Vermarktung/Bekämpfung von Leerstand und Erhalt historischer Fachwerkhäuser am Beispiel der Stadt Wanfried“ geladen. Über 60 Interessierte aus dem Stadtgebiet Nieheim aber auch aus Bad Driburg, Höxter, Beverungen und Steinheim folgten der Einladung in den ehemaligen Kornboden auf Gut Holzhausen.
Nach der Begrüßung und der Vorstellung des Wahlprogramms der FDP für die Kommunalwahl in Nieheim durch den ersten Vorsitzenden des Stadtverbandes Friedrich-Wilhelm Hörr übernahm Wilhelm Gebhard das Wort. Der Bundestagsabgeordnete (CDU) war von 2007 bis 2025 Bürgermeister im nordhessischen Wanfried. Der mittlerweile 49-Jährige zeigte gleich zu Beginn, wie sehr er immer noch für dieses Thema und seine Heimat brennt.
„Als ich 2007 Bürgermeister geworden bin, hatten wir in Wanfried 21 leerstehende Objekte. Ich wurde anfangs vielerorts für mein Vorhaben, diesen Leerstand zu vermarkten und aktiv zu bekämpfen, belächelt. Heute steht nur noch eines dieser Häuser leer. Wir können also getrost von einer Erfolgsgeschichte sprechen.“ Hörr und Nieheims amtierender Bürgermeister Johannes Schlütz hatten die knapp 4.500 Einwohner fassende Kleinstadt bereits 2020 besucht, um sich ein Bild der einzigartigen Geschichte zu machen. Wanfried, das als Endhafen der Fulda-Werra Schiffverbindung in den vergangenen Jahrhunderten zur blühenden Fachwerk-Stadt aufstieg, hatte besonders nach dem Mauerfall mit dem Strukturwandel zu kämpfen.
„Wir haben nach meinem Amtsantritt eine Bürgergruppe gegründet und wollten den Trend des Leerstandes und der Abwanderung bekämpfen. Dabei haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, über das Positive unserer Stadt zu reden. Leider ist es in der heutigen Zeit immer mehr der Fall, dass überall nur das Negative gesehen wird. Aber wir müssen das Positive hervorheben und leben, denn nur so können wir Neues entstehen lassen.“
So ließ der damals 31-Jährige gemeinsam mit der Bürgergruppe, bestehend aus interessierten und fachkundigen Bürgern schnell Taten folgen. Dabei ging es zunächst um die Sanierung der teilweise arg in die Jahre gekommenen Fachwerkhäuser. „Wir haben uns zu Beginn einen Stadtplan genommen und alle Leerstände farbig markiert“, erinnerte sich Jürgen Rödiger von der Bürgergruppe. So sollte bezahlbarer Wohnraum entstehen, individuelles Wohnen möglich sein und die Infrastruktur erhalten sowie verbessert werden. Die Vereinigung der Bürger kontaktierte Eigentümer, vermittelte die alten Häuser und begleitete Kaufinteressenten von der ersten Besichtigung bis hin zur Auswahl der nötigen Handwerker. Eigens dafür wurde auch ein Fachwerkmusterhaus errichtet, das als lebendige Baustelle den möglichen Neubürgern Möglichkeiten für das neue Eigentum zeigen sollte.
„Natürlich haben wir diverse Förderprogramme genutzt und hatten auch einen sehr guten Draht zur zuständigen Denkmalschutz-Behörde. Nur so konnten wir modernes Wohnen in historischen Häusern für sämtliche Zielgruppen, von der alleinstehenden Frau, die für sich und ihren Hund eine naturnahe Heimat sucht, bis hin zur jungen Familie schaffen“, berichtete Gebhard stolz. Dabei stellte das Stadtoberhaupt damals die Frage: „Was nützt uns ein Neubaugebiet, wenn in der Innenstadt keiner mehr aus dem Fenster guckt?“. So entwickelte sich über viele akribische Bürger das ambitionierte Vorhaben des Bürgermeisters zu einer wahren Erfolgsstory. „Als die ersten einheimischen Handwerker für die Sanierungen anrückten, merkte man, dass das Projekt immer mehr Akzeptanz fand. Daraufhin wurde auch die mediale Aufmerksamkeit immer größer, wir gründeten unser eigenes Immobilienportal und waren auf zahlreichen Messen präsent. Jeden Tag blicken in einer Großstadt Menschen aus dem Fenster und wollen schöner, ruhiger, billiger und mit weniger Kriminalität leben. All das konnten wir bieten“, so Gebhard über die Aufwertung seines Heimatortes.
Christine von Mangoldt von der FDP Nieheim dankte den beiden Rednern für den leidenschaftlichen Vortrag: „Sie haben uns gezeigt, was man mit einer positiven Einstellung und dem nötigen Enthusiasmus für seine Stadt erreichen kann. In Zeiten, in denen oft nur negative Dinge und Probleme gesehen werden, sind sie ein hervorragendes Beispiel, das uns Mut gibt.“ Mut gab Gebhard den Nieheimern mit seinem Schlusswort auch nochmal mit auf den Heimweg: „Wir wollen mit unserer Geschichte einen Impuls setzen. Machen müssen Sie es selbst. Aber Sie haben in Nieheim alles, was man dafür braucht: Leute, die anpacken wollen, Einwohner mit einer großen Heimatliebe und in Johannes Schlütz einen starken Bürgermeister für solche Projekte.“