Auch der Kreistag des Kreises Höxter kritisiert die Entscheidung des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, das erst neu in Höxter eingerichtete Thünen-Fachinstitut für Innovation und Wertschöpfung in ländlichen Räumen sowie das Fachinstitut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen nicht in Höxter zu betreiben, sondern nach Braunschweig zu verlagern. Einstimmig folgten die Abgeordneten in der Kreistagssitzung am vergangenen Dienstag damit einem Antrag der CDU-Fraktion.
In einer gemeinsamen Resolution, die von der Kreisverwaltung erarbeitet und von Landrat Michael Stickeln unterzeichnet wurde, heißt es: „Der Kreistag fordert Herrn Bundesminister Cem Özdemir eindringlich auf, seine Entscheidung zu revidieren und die beiden Thünen-Fachinstitute zur Forschung in ländlichen Räumen in Höxter zu betreiben, um repräsentative und nachhaltige Forschungsergebnisse zur Stärkung des ländlichen Raumes und damit für die Menschen in ländlichen Räumen zu gewinnen.“
Die Standortentscheidung, die 2020 auf die Stadt Höxter gefallen war, sei einst eine Wertschätzung für den ländlichen Raum und ein Zeichen dafür gewesen, hier ernsthafte und nachhaltige Forschung zur Stärkung dieser, in vielerlei Hinsicht oftmals so benachteiligten Gebiete, betreiben zu wollen. „Von einem auf den anderen Tag wurde diese Zielsetzung ohne nachvollziehbaren Grund aufgegeben“, so der Wortlaut der Resolution.
Der Kreistag des Kreises Höxter erinnert den Bundeslandwirtschaftsminister an seine Worte bei der Eröffnung des 15. Zukunftsforums Ländliche Entwicklung am 26. Januar 2022 in Berlin. Damals sagte Minister Özdemir: „Ich verstehe mich als Anwalt der Engagierten in den ländlichen Regionen und Orten. Ich werde Ihre Arbeit unterstützen und mich für gleichwertige Engagementverhältnisse einsetzen. Das heißt konkret: Ich will die Stärkung ländlicher Orte von ihren Bewohnerinnen und Bewohnern her denken; zuhören, wo der Schuh drückt und Engagierte stärker in Entscheidungsprozesse einbinden.“
Vor dem Hintergrund dieser Worte, so die Meinung des Kreistages, müssten sich die Menschen in den ländlichen Räumen in Deutschland fragen: „Warum wird mit der Verlegung der Thünen-Fachinstitute eine wichtige Verbindung in den ländlichen Raum gekappt, von der Minister Özdemir auf wissenschaftlicher Basis ‚die Stärkung ländlicher Orte von ihren Bewohnerinnen und Bewohnern her‘ hätte denken können? Die Forscherinnen und Forscher hätten erläutern können, ‚wo der Schuh drückt‘. Durch den direkten Kontakt mit den im ländlichen Raum lebenden Menschen wäre es möglich gewesen, ‚Engagierte stärker in Entscheidungsprozesse‘ einzubinden. Warum – fragen sich viele Menschen im Kreis Höxter und anderen ländlichen Regionen – wird diese Chance vergeben?“
In dem Schreiben an Bundeminister Özdemir listet der Kreistag detailliert die Synergien auf, die eine Forschung am Stand Höxter möglich gemacht hätte, etwa mit der Technischen Hochschule OWL, der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Holzminden, der Fachhochschule des Mittelstandes in Bielefeld oder dem Zukunftszentrum Holzminden-Höxter.
Auch könnten viele Impulse und Ergebnisse aus dem vom Bund und Land geförderten Modellvorhaben „Land(auf)Schwung“, „Hauptamt stärkt Ehrenamt“, „Heimat 2.0“ und die „Ökomodellregion“ oder auch die Regionalbewegung NRW und die Stiftung der Gemeinwohlökonomie, die beide ihren Sitz im Kreis Höxter haben, mit in die wissenschaftliche Evaluation direkt vor Ort einfließen.
Zudem widerspricht der Kreistag der Argumentation des Bundeslandwirtschaftsministeriums, mit der Standortverlegung die Forschungsressourcen in Braunschweig bündeln zu wollen, deutlich: „Das Thünen-Institut unterhält bereits acht weitere Standorte im Bundesgebiet. Zudem sind heutzutage durch die Digitalisierung Austausch und kollaboratives Arbeiten auf Distanz hinreichend erprobt und mittlerweile selbst über Ländergrenzen hinaus täglich gelebte Praxis.“
Das Kulturland Kreis Höxter stelle hingegen mit seinen Strukturen, Herausforderungen und Potenzialen sowie auch der besonderen Lage im Dreiländereck von NRW, Niedersachsen und Hessen die ideale und nahezu exemplarische Umgebung für den ländlichen Raum in Deutschland dar und biete somit selbst ein hervorragend geeignetes Forschungsumfeld für die beiden Forschungsfelder der Fachinstitute, die den ländlichen Raum untersuchen. „Daher bietet es sich förmlich an, die Forschungsinstitute nicht aus einer Elfenbeinturmstellung ‚Stadt‘ heraus zu betreiben, sondern dort, wo aus eigener Anschauung heraus Erkenntnisse und Forschungsergebnisse gewonnen werden können“, unterstreicht die Resolution.
„Einmal mehr spricht der Kreistag des Kreises Höxter mit einer Stimme. Damit machen wir in Berlin deutlich, dass diese Entscheidung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft für die Menschen in den ländlichen Räumen eine herbe Enttäuschung ist. Ich danke allen Mitgliedern des Kreistages, die entschlossen die Interessen unseres Kulturlandes vertreten“, sagt Landrat Michael Stickeln.