Die Originale stehen in London, Cambridge und Oxford gut verschlossen in Vitrinen, Schaukästen und Archiven. Doch die Faksimiles dieser wertvollen Bücher sind im Weserrenaissance Schloss Bevern zu finden – zum Anfassen, darin Blättern und Staunen. Die Familie von Campe hat dem Landkreis Holzminden nun mehrere weitere Faksimiles mittelalterlicher Bücher für eine Dauerausstellung zur Verfügung gestellt. Bei einem gemeinsamen Termin im Schloss unterschrieben Landrat Michael Schünemann und Hartung von Campe nicht nur den Leihgabe-Vertrag, sondern konnten auch gemeinsam einen Blick auf die gestifteten Bücher werfen.
Die Bibliothek des Schlosses Bevern ist damit um einen Schatz reicher. 18 Ganzbuchfaksimiles und über 100 einzelne Seiten verschiedener Kodizes hat die Familie von Campe dem Landkreis überlassen. „Wir sind unglaublich dankbar für die Leihgabe. Die Bücher passen hervorragend in das Konzept des Schlosses“, unterstrich Schünemann in der gemeinsamen Runde, „Jetzt müssen wir uns daran setzen und eine Ausstellung gestalten, damit diese wunderschönen Stücke Besucherinnen und Besucher genauso faszinieren können wie uns.“ Die Leihgabe steht dem Landkreis zunächst für 25 Jahre zur Verfügung und soll in einer Dauerausstellung seine Wertschätzung finden.
Faksimiles – das sind handgemachte, handbemalte Nachbildungen, die den Originalen sehr nahekommen. So nahe, dass ein Laie den Unterschied wahrscheinlich nicht wahrnehmen würde. Ein weiterer Unterschied: Anders als die originalen Ausstellungsstücke sind Faksimiles aber meist nicht vor Interessierten verschlossen, sondern können Besucherinnen und Besuchern hautnahe verzaubern. Anders gesagt: Wer einmal die Bebilderungen in einem mittelalterlichen Sachsenspiegel Seite für Seite betrachten möchte, kann dies mit einem Faksimile – und jetzt auch im Schloss Bevern – tun.
Teil der Stiftung sind unter anderem mehrere bebilderte Gebets- und Stundenbücher, darunter eine Nachbildung eines Stundenbuches von Jeanne d’Evreux, Königin von Frankreich. Das handflächengroße Büchlein war klein genug, damit die Königin es auf ihren Reisen mitnehmen konnte. Die Sammlung hat aber auch etwas ganz Großes zu bieten: 32 Faksimileseiten der großen, bebilderten Wenzelsbibel sind ebenfalls Teil der Leihgabe. Das Original wurde um 1400 im Auftrag von König Wenzel auf Frühneuhochdeutsch verfasst und umfasst etwa 1200 Seiten im Format 53 cm x 36,5 cm. Auch nach mehreren Jahrzehnten der Arbeit wurde das ambitionierte Ziel, das gesamte altes und neues Testament in einer Riesenbibel zu gestalten, nicht erreicht.
Mit der Spende der Familie von Campe liegen nun ebenfalls mehrere sogenannte Apokalypsen im Schloss aus. In einer Zeit ohne Filme, Serien und Social Media und zu einer Zeit des Analphabetismus waren diese reich bebilderten Bücher für die Menschen im Mittelalter spektakulär. Wie der Name schon sagt, war auch der Inhalt – farbige und vergoldete Bilder der Apokalypse nach der Offenbarung des Johannes – an Spannung nicht zu überbieten. Die Originale liegen auch in der Parker Library der University of Cambridge und der Bodleian Library in Oxford. Bestandteil der Dauerleihgabe sind neben anderen Büchern außerdem Faksimiles des Heidelberger und Oldenburger Sachsenspiegels und auch ein sogenanntes Gürtelbuch mit den Gebetsgewohnheiten des heiligen Dominikus.
„Diese Fülle und Vollständigkeit der Sammlung ist wirklich einmalig, zumindest hier in Niedersachsen. Man könnte sagen: Das ist ein Alleinstellungsmerkmal, auf das das Schloss Bevern stolz sein kann“, betont Hartung von Campe, „Besucher können das Evangelium und andere mittelalterliche Texte hier direkt ansehen und darin blättern – das ist schon etwas Besonderes.“ Als nächstes geht es deshalb darum, eine Dauerausstellung der geliehenen Schätze zu konzipieren und die Räumlichkeiten im Schloss dafür entsprechend herzurichten. Die Familie von Campe hat dem Landkreis bereits für die Ausstattung und Bewerbung der Ausstellung finanzielle Unterstützung in Aussicht gestellt.