Welche Vielfalt sich hinter der nüchternen amtlichen Bezeichnung „Ambulante sozialpädagogische Angebote der Jugendhilfe für junge Straffällige“ verbirgt, zeigen die Mitarbeitenden von Projekt Begegnung mit ihren innovativen Angeboten in der täglichen Arbeit.
„Es geht uns schlicht darum, mit den jeweils geeigneten ambulanten Maßnahmen, wie Betreuungsweisungen, sozialen Trainingskursen und dem Täter-Opfer-Ausgleich, die traditionellen Sanktionen wie Geldbuße, Jugendarrest oder Jugendstrafe zu ersetzen“, erklären Isabell Scholz und Sören Hake von Projekt Begegnung. Ihr Motto heißt „Betreuen hat Vorrang.“
„Vor dem Hintergrund des erzieherischen Handlungsansatzes des Jugendstrafrechts tragen unsere Angebote dazu bei, jungen Straffälligen sozial verantwortliches Handeln, Wiedergutmachung und die Aufarbeitung der Konflikte aufzuzeigen. Damit wollen wir ihre Kenntnisse, Erfahrungen und Verhaltensweisen stärken, um Rückfälle zu vermeiden und die soziale Integration zu fördern“, sagt Robert Hartmann, Geschäftsführer der Projekt Begegnung gGmbH.
Ihm geht es vor allem um die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung. Dazu gehöre die Förderung der Ausdauer, des Durchhaltevermögens und der Konzentration. „Die Vermittlung von Erfolgserlebnissen durch Arbeitsergebnisse und die Bestätigung von Leistungen sind ein wichtiger Aspekt.“
Die Ambulanten Sozialpädagogischen Angebote richten sich in erster Linie an Jugendliche und Heranwachsende, die aufgrund von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten in Erscheinung getreten sind. „In vielen Fällen spielen soziale Benachteiligungen eine weitere Rolle in der Zusammenarbeit mit diesen jungen Menschen“, erläutert Isabell Scholz.
„Meistens benötigen die jungen Menschen Unterstützung bei der Alltagsbewältigung und der konstruktiven Auseinandersetzung mit vorhandenen Schwierigkeiten in den Bereichen Schule, Beruf, Familie oder Freizeitgestaltung. Eine wichtige Rolle spielen auch die Art der Kommunikation und eine angemessene Bewältigung von Konflikten.“
Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht vor allem die Auseinandersetzung mit dem straffälligen Verhalten. Ein sehr erfolgreiches Instrument dabei ist der sogenannte „Täter-Opfer-Ausgleich“ (TOA), auch Mediation im Strafrecht genannt. „Bei dieser Maßnahme zur außergerichtlichen Konfliktschlichtung können alle betroffenen Personen einer Straftat freiwillig – mit Unterstützung eines unparteiischen Dritten und auf neutralem Boden – eine Regelung zur Wiedergutmachung aushandeln“, schildert Sören Hake.
Dieser TOA könne zu jedem Zeitpunkt stattfinden, im Vorverfahren, Zwischenverfahren oder im Hauptverfahren. Wichtig ist ihm in diesem Zusammenhang, dass solche Gespräche auch freiwillig möglich sind, wenn junge Menschen von einer Straftat betroffen sind: „Sie brauchen sich nur bei uns zu melden.“
Die häufigste justizielle Reaktion auf Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender ist auch im Landkreis Holzminden die Ableistung gemeinnütziger Dienste und Sozialstunden. „Diese Auflage oder Weisung soll den jungen Menschen das Unrecht ihrer Tat und die auf sie selbst zurückfallenden Folgen deutlich machen.
Ihnen soll dadurch eindringlich zum Bewusstsein gebracht werden, dass sie für das von ihnen begangene Unrecht einzustehen und dafür eine Gegenleistung zu erbringen haben“, erklärt Hake. „Ihnen soll dadurch aber auch die Möglichkeit geboten werden, begangenes Unrecht durch eine symbolische Wiedergutmachungsleistung gegenüber der Allgemeinheit wieder auszugleichen.“
Wie vielfältig hier Einsatzmöglichkeiten aussehen können, zeigt ein Blick auf die Aktionen, die Projekt Begegnung mit Betroffenen umgesetzt hat. In Kooperation mit dem Stadtmarketing Holzminden wurden Blumenkübel bepflanzt und gepflegt sowie die Dekoration für das Fest an den Teichen gebastelt, beim Ruderclub Holzminden wurde die Anlage gepflegt, regelmäßig wird in Holzminden Müll eingesammelt.
Aber auch die Teilnahme an Benefizveranstaltungen wie dem Lauf in den Mai 2023 in Bodenwerder oder dem Höxteraner Feuerwehrlauf oder das Mitwirken am Sportivationstag im Liebigstadion Holzminden sowie den Aktivitäten am Weltkindertag in Holzminden zählen zu den Maßnahmen.
„Jeder junge Mensch, der von uns im Rahmen der Ambulanten Angebote betreut wird, bringt eigene Anforderungen und Wünsche an seine Zukunft mit. Wir verstehen daher jegliche Arbeit mit und am jungen Menschen hin zu einer gesellschaftsfähigen Persönlichkeitsentwicklung als innovativ“, sagt Isabell Scholz. Durch die Begleitung der jungen Menschen solle eine realistische zukunftsorientierte Perspektive entwickelt werden.
Darüber hinaus sollen die Teilnehmenden ermächtigt werden, diese Bewältigungsstrategien zukünftig allein anzuwenden. „Die Übertragung der eigenen Verantwortungsrolle steht hierbei ebenso im Vordergrund wie die ressourcenaktivierende Arbeit. Die jungen Menschen in ihrer spezifischen Lebenswelt abzuholen und mit den Angeboten genau dort anzusetzen, stellt für uns in jedem Fall eine elementare und stets kreative Arbeit dar“, so Scholz.
Es findet ein regelmäßiger Austausch zwischen den Fachkräften der Ambulanten Sozialpädagogischen Angebote und den Verfahrensbeteiligten wie dem Jugendrichter und der Jugendhilfe im Strafverfahren statt. Da die Staatsanwaltschaft nicht im Landkreis Holzminden ansässig ist, besteht der Kontakt hier ausschließlich telefonisch.
„Darüber hinaus besteht eine enge wie zeitnahe Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Institutionen im Netzwerk, wie zum Beispiel dem Jobcenter, der Suchtberatungsstelle, dem Gesundheitsamt, dem Jugendamt, der Bewährungshilfe und einem Verein für Straffälligenhilfe, die vordergründig durch fallbezogenen Austausch sichergestellt wird“, erklärt Sören Hake. Zusätzlich finden fachbezogene Arbeitstreffen statt, in denen die Zusammenarbeit zwischen den am Jugendstrafverfahren beteiligten Institutionen und anderen Kooperationspartnern erörtert und bei Bedarf angepasst wird.
„Wir sind sehr dankbar, wie engagiert Projekt Begegnung sich um die jungen Menschen kümmert, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind“, sagt Jörg Mertens, Jugendrichter am Amtsgericht Holzminden. „Die Angebotspalette ist so vielseitig, dass eigentlich immer die richtige Maßnahme gefunden werden kann. Ob ein sozialer Trainingskurs, ein Outdoor-Projekt, bei dem auf verschiedene Weise das Naturerleben genutzt wird, ein Anti-Gewalt-Training oder die intensive Einzelbetreuung.“ Auch Lili Gutknecht von der Jugendgerichtshilfe des Landkreises Holzminden ist überzeugt: „Wir wissen, dass die jungen Menschen mit Hilfe von Projekt Begegnung gute Chancen haben, ihr Leben erfolgreich zu gestalten und keine weiteren Straftaten zu begehen.“