Die Missbrauchsfälle von Lügde haben nicht nur in der Bevölkerung großes Entsetzen ausgelöst, auch die Mitarbeitenden in den mit Jugendhilfe befassten Institutionen sind deutlich noch einmal sensibilisiert worden. Doch wie kann bei Verdachtsfällen noch schneller und effektiver gehandelt werden. Eine vom Jugendamt des Landkreises Holzminden organisierte Kinderschutztagung im Energy-Campus von Stiebel haben erste Lösungsansätze dafür zusammengetragen. Künftig soll ein gut organisiertes Netzwerk dafür sorgen, dass keine Informationen ins Leere laufen und für die Opfer im besten Fall schon im Vorfeld das Schlimmste verhindert wird.
Rund 70 Teilnehmende waren der Einladung von Jugendamtsleiterin Barbara Fahncke in den Energy-Campus gefolgt, viele kannten sich sicher schon untereinander. Doch dass dieses bloße Kennen mittlerweile durchaus in ein gemeinsames Handeln münden kann und soll, ist neu. "Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass ein gute Netzwerk Kinder schützt", stellte Fahncke eingangs der Veranstaltung bei ihrer Begrüßung fest. Allerdings hatte das trotz schon vorhandener Strukturen bisher wesentliche gesetzliche Hürden zu nehmen, um wirklich wirksame Maßnahmen mit einleiten zu können. Vor den Missbrauchsfällen von Lügde, Bergisch Gladbach und Münster etwa verhinderten in der Regel gesetzliche Auflagen, dass Dritte in Fallsachverhalte eingeweiht werden durften. Damit war es auch für mitbeteiligte Institutionen wie Schulen oder Kitas sehr schwierig, sachdienliche Hinweise mit einzubringen und vielleicht Verdachtsmomente stärker in den Focus zu nehmen.
Dass diese Regelungen nun deutlich geändert seien, darauf machte nach der Begrüßung durch die Erste Kreisrätin Sarah Humburg die geladene Referentin Christa Frenzel aufmerksam. Frenzel, ehemalige Sozialdezernentin und Erste Kreisrätin der Stadt Salzgitter, war nach ihrer Pensionierung vom Landkreis Hameln-Pyrmont als Sonderermittlerin in den Missbrauchsfällen von Lügde eingesetzt worden. Frenzel hatte Defizite im Jugendamt aufgedeckt, aber mit ihrem Bericht auch grundsätzliche Strukturmängel in der Zusammenarbeit der verschiedenen pädagogischen Institutionen aufgezeigt, die solche Mängel erst möglich machten. Diese sind in den Bericht der Lügde-Kommission des Landespräventionsrates mit eingeflossen und hatte in der Konsequenz auch für verbesserte Grundvoraussetzungen bei der Vernetzung geführt. Frenzel machte deutlich, dass die Arbeit des Jugendamtes Unterstützung brauche und am Ende keine Fehler verhindere. "Aber wir sind gut beraten, alles so zu tun, dass wir sagen können, dass wir das Beste getan haben," machte sie den Teilnehmenden Mut. Frenzel machte aber auch deutlich, dass abgesehen von Schulen inzwischen sämtliche Träger pädagogischer Einrichtungen Schutzkonzepte erarbeiten müssten und selbst Schulen gut daran täten, etwas Ähnliches zu organisieren, um ein funktionierendes Frühwarnsystem in Kooperation mit dem Jugendamt zu organisieren. Der niedersächsische Landtag habe einige Pakete verabschiedet, um eine stärkere "Kultur des Hinschauens" zu ermöglichen. Diese Pakete stellte sie im Folgenden vor und appellierte an die Teilnehmenden, an einer besseren Vernetzung zu arbeiten.
Doch wie kann die aussehen? Ansätze für eine effizientere Zusammenarbeit gibt es viele. Welche zu effizientem Handeln der richtigen Akteur*innen führen, dass wissen immer diese selbst am besten. Aus diesem Grund versuchten alle Teilnehmenden im Anschluss an den Vortrag Frenzels in einem Workshop die wichtigsten Fragen in einem Brainstorming gemeinsam zu klären. Eine Aktion, die alle Beteiligten noch einmal zusammenrücken ließ. Für ein effektives Frühwarnsystem sind damit die ersten Weichen also schon einmal gestellt.