Nicht nur der beliebte Naturstoff Holz steht im Fokus der Nieheimer Holz- und Technologietage, sondern auch eine Vielzahl an Innovationen rund um die Themen Bauen und Sanieren, Heizen und vor allem neue Mobilitätskonzepte im öffentlichen Raum. Dazu kommen Expertinnen und Experten ins beschauliche Nieheim, die engagiert an effizienten Mobilitätslösungen für die Zukunft arbeiten. Eine von ihnen ist Dr. Viktoriya Kolarova, die am Eröffnungstag, Samstag, 6. September, einen Überblick über das spannende Thema „Autonomes und vernetztes Fahren” gibt. Ihr Vortrag beginnt im Anschluss an die Eröffnungsveranstaltung um 12 Uhr in der Stadthalle Nieheim.
Die 37-jährige Wissenschaftlerin Viktoriya Kolarova beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit dem Thema „Autonomes Fahren” und hat inzwischen die Gruppenleitung am Institut für Verkehrsforschung am Deutschen Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin übernommen. Fragen wie „Akzeptieren die Menschen die neue Technologie und wie wollen sie diese nutzen?”, „Was erwarten die Menschen vom autonomen Fahren?” und natürlich „Warum dauert es in Deutschland so lange, bis tatsächlich erste autonome Fahrzeuge am Straßenverkehr teilnehmen?” sind Themenfelder, mit denen sich die Expertin immer wieder in ihrem Alltag auseinandersetzt.
Nach intensiven Erfahrungen an Forschungs- und Pilotprojekten im In- und Ausland arbeitet die Wissenschaftlerin in Deutschland nach einem anfänglichen Hype inzwischen an einem „realistischen Erwartungsmanagement” und hilft unzähligen Akteuren bei entsprechenden Planungen. In erster Linie will sie zu einer transparenten Debatte und zu einem Grundverständnis über das autonome Fahren beitragen.
Denn obgleich die USA, China - dort fährt eine Vielzahl an autonomen Robotaxis - und Japan längst als Vorreiter auf diesem Gebiet gelten, weiß Dr. Viktoriya Kolarova, dass es hierzulande „noch viele offene Fragen hinsichtlich der Rechtssicherheit, der technischen Zuverlässigkeit, des Datenschutzes und der gesellschaftlichen Akzeptanz gibt, die bislang unbeantwortet sind.” Deutsche Autohersteller haben zwar Pläne zum autonomen Fahren, gingen aber auf Nummer sicher. Und es wäre hier unvorstellbar, mit einem unausgereiften System in Serie auf die Straße gehen. Dazu kommt: Die Technik, wirklich vollständig autonom mittels künstlicher Intelligenz im Straßenverkehr fahren zu können, sei noch nicht so weit. Und daher existierten nur erste Pilotprojekte (oft in Zusammenarbeit mit Universitäten), die zurzeit ausprobiert würden.
„Die Technologie ist nicht immer die Lösung, sondern in erster Linie die Fragen: 'Wo macht es Sinn, sie effizient und nutzenbringend einzusetzen?' und 'Welchen Mehrwert habe ich in diesem oder jenem Verkehrsbereich?' „, so Kolarova. Autonomes Fahren habe viele Vorteile und sei nicht nur in den Metropolregionen interessant, um den Verkehr zu entlasten und die Umwelt zu schonen, sondern auch eine echte Chance für den ländlichen Raum. Gerade, um die künftige Daseinsfürsorge sicherzustellen, besäßen lokale Projekte großes Potential: Mit diesen Angeboten könnten Menschen besser ins soziale Umfeld eingebunden werden, ganz gleich, ob sie zum Einkaufen oder zum Arzt in die Stadt fahren, zu Freunden oder ins Theater.
Das ist natürlich genau der Ansatz, den die Initiative Neue Mobilität Paderborn (NeMo) mit ihrem Projekt verfolgt. Das Team, das vor kurzem die ersten erfolgreichen Demonstrationsfahrten mit ihren Cabs auf dem nichtöffentlichen Teil des Flughafens Paderborn/Lippstadt absolviert hat, wird während der Holz- und Technologietage auch mit einem Stand vertreten sein. Die Paderborner präsentieren auch einen ihrer Prototypen, den die Besucherinnen und Besucher hautnah begutachten können.
Was es in Deutschland braucht, um nächste Schritte in Richtung automatisiertes Fahren zu gehen? „Ganz klar, einen langen Atem und viel Durchhaltevermögen”, sagt Dr. Viktoriya Kolarova. Vor allem sollten die lokalen Bedürfnisse vor Ort genau benannt werden, und es müsse sich ein Netzwerk von vielen Akteuren zusammenschließen, um etwas auszuprobieren und dann weiter zu planen.
„Denn wir befinden uns immer noch in einem Lernprozess”, weiß die Psychologin und ergänzt: „Die Herausforderungen sind für Kommunen schon immens, vor allem was Finanzierung und komplexe rechtliche Rahmenbedingungen angehen.” Und das brauche eben ein starkes Aktionsnetzwerk. Doch auch wenn es noch dauern wird, bis autonome Fahrzeuge zum gewohnten Bild im deutschen Straßenverkehr gehören, sei der Weg längst eingeschlagen. „Und es ist der Weg der Zukunft”, ist sich die Projektleiterin vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum sicher.