Hinter jeder Tat eine Geschichte | OWZ zum Sonntag

Veröffentlicht am 17.09.2025 16:51

Hinter jeder Tat eine Geschichte

Das JuHiS-Team des Landkreises (v.l.): Dilber Dur, Marec Wenzel und Chantal Ersu. (Foto: Landkreis Holzminden)
Das JuHiS-Team des Landkreises (v.l.): Dilber Dur, Marec Wenzel und Chantal Ersu. (Foto: Landkreis Holzminden)
Das JuHiS-Team des Landkreises (v.l.): Dilber Dur, Marec Wenzel und Chantal Ersu. (Foto: Landkreis Holzminden)
Das JuHiS-Team des Landkreises (v.l.): Dilber Dur, Marec Wenzel und Chantal Ersu. (Foto: Landkreis Holzminden)
Das JuHiS-Team des Landkreises (v.l.): Dilber Dur, Marec Wenzel und Chantal Ersu. (Foto: Landkreis Holzminden)

Die junge Frau, die in einem Lebensmittelgeschäft beim Stehlen erwischt wird, ist gerade mal 19 Jahre alt. Sie hat versucht, unter anderem Windeln und Fertiggerichte in einem Kinderwagen aus dem Laden zu schmuggeln. Ein klarer Diebstahl, der berechtigterweise ein Strafverfahren mit einer Verurteilung nach sich zieht, oder? Doch so einfach ist die Sache eigentlich nicht.

Wie jedes Mal, wenn junge Menschen zwischen 14 und 21 Jahren strafrechtlich in Erscheinung treten, informiert die Polizei auch bei Maria (so nennen wir sie der Einfachheit halber) die Jugendhilfe im Strafverfahren – kurz JuHiS. Die Jugendhilfe im Strafverfahren ist ein Angebot des Landkreises Holzminden und besteht derzeit aus den Sozialarbeiter*innen Dilber Dur, Chantal Ersu und Marec Wenzel. Was die JuHiS genau macht, erklärt Letzterer: „Grundsätzlich begleiten wir junge Menschen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Dabei geht es nicht darum, auffällig gewordene Jugendliche zu bestrafen, sondern darum, ihre soziale Integration zu stärken und ihnen eine positive Zukunftsperspektive zu bieten.“ Dazu, so Wenzel, berate und begleite die JuHiS die jungen Menschen, erstelle sozialpädagogische Berichte und Empfehlungen an die Staatsanwaltschaften und Gerichte und setze Maßnahmen um.

So auch im Fall der 19-Jährigen: Die Jugendhilfe im Strafverfahren sucht das Gespräch mit Maria. Dazu laden sie Maria ein, denn das JuHiS-Team möchte sich selbst ein Bild von der jungen Frau machen. Maria jedoch erscheint nicht zu dem Termin und lässt auch andere Einladungen unbeantwortet. Doch die JuHiS gibt nicht auf. Sie stattet Maria einen Hausbesuch ab. Vor Ort wird dann vieles klar.

Maria – das ist nicht einfach eine jugendliche Kriminelle. Maria lebt alleine. Kochen gelernt hat sie nie. Zu ihrer Familie hat sie keinen Kontakt mehr. Jemanden, der ihr dabei helfen kann, den Überblick über ihre Finanzen zu behalten oder etwa Anträge für staatliche Sozialleistungen auszufüllen, hat sie nicht. Und sie ist eine junge Mutter, hat eine sieben Monate alte Tochter.

Das Team der Jugendhilfe im Strafverfahren hakt nach: Um ihre Tochter an Beikost zu gewöhnen, hat die in finanziellen Schwierigkeiten steckende Maria im Lebensmittelgeschäft unter anderem auch Babygläschen und Milchpulver gestohlen. Von der Polizei erfährt die JuHiS außerdem, dass sich die junge Mutter auch während der Befragung Sorgen um ihr Kind gemacht und sich immer wieder danach erkundigt habe, ob sie mit Konsequenzen bezüglich ihres Kindes rechnen müsse. Sie gibt während der Ermittlung die Tat zu und auch an, diese zu bereuen.

Mit diesem Wissen setzt sich das JuHiS-Team zusammen, um über mögliche Unterstützungen zu diskutieren. Die anschließende Bedarfsermittlung stellt sie dem Gericht zur Verfügung. Die Vorschläge: eine Hilfestellung bezüglich der Antragsstellung für Sozialhilfe und ein Kochkurs – beides Teil eines vielfältigen Maßnahmenkataloges, der den Mitarbeitenden der JuHiS zur Verfügung steht. Das Gericht kommt auf diese Empfehlungen zurück und gibt auch für ein halbes Jahr eine Betreuungsweisung auf. Maria wird also in der Zeit immer eine sozialpädagogisch ausgebildete Ansprechperson an ihrer Seite haben. Das soll ihr dabei helfen, ihre finanzielle Situation zu klären beziehungsweise entsprechende Anträge zu stellen.

So wie Maria geht es auch anderen jungen Menschen. Denn es gibt immer eine Hintergrundgeschichte. „Solche Vorfälle passieren häufiger als man denkt“, weiß Chantal Ersu, „Meistens sind sie vorübergehend und Teil einer instabilen Lebensphase, nicht Ausdruck krimineller Absicht. Unser Ansatz zeigt: Wenn wir frühzeitig helfen, kann ein Fehltritt auch eine Chance sein.“ Manchmal braucht es einfach die richtige Unterstützung, den Schubser in die richtige Richtung.

Genau den bietet die JuHiS an. „Strafen allein hätten der jungen Mutter nicht geholfen. Sie brauchte Unterstützung, um aus der schwierigen Situation herauszukommen“, meint Dilber Dur.

Maria jedenfalls hat die Auflagen des Gerichts erfolgreich erfüllt, das Verfahren konnte endgültig eingestellt werden. Heute lebt sie gemeinsam mit ihrer Tochter in stabileren Verhältnissen – mit klarer Perspektive und neuem Vertrauen in sich selbst.

Das Angebot der Jugendhilfe im Strafverfahren kann von jungen Menschen (14 bis 21 Jahre), die einer Straftat verdächtigt werden, und deren Familien kostenlos in Anspruch genommen werden. Zu erreichen ist die JuHiS telefonisch unter 0 55 31 / 707 832 oder per E-Mail unter juhis@landkreis-holzminden.de.

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